Der EU-Wahlkampf in den Sozialen Medien: Eine Analyse
Die Europawahl 2024 liegt hinter uns und die Ergebnisse stehen fest. Während klassische Wahlkampfmethoden, wie Auftritte der Spitzenkandidat:innen, Plakate an Straßenlaternen und Stände in Fußgängerzonen, nach wie vor ihren Platz im Wahlkampfzirkus haben, hat in der medialisierten Welt vor allem die Social-Media-Performance der KandidatInnen und Parteien eine zentrale Rolle in den Kampagnen eingenommen. Wir nehmen deshalb die Online-Präsenz der politischen Akteure genauer in den Blick: Wer hat die meisten Follower hinzugewonnen? Welche Plattformen entfalten die größte Wirkung? Und welche Inhalte kamen besonders gut an? Zunächst aber mehr zu den Charakteristika der Europawahl 2024.
Von TikTok zur Wahlurne: Die Jugend und ihre politische Zukunft
Die Europawahl wird in der öffentlichen Wahrnehmung häufig als weniger bedeutsam angesehen als nationale Wahlen. Diese Wahrnehmung spiegelt sich auch in der geringeren Wahlbeteiligung wider. Deutschland jedoch verzeichnet 2024 mit 64,8 Prozent einen neuen Höchstwert seit der Wiedervereinigung. Eine höhere Beteiligung bei einer EU-Wahl gab es nur 1979 mit über 65 Prozent, damals jedoch nur in Westdeutschland. 3,4 Prozent mehr als 2019 klingt nicht sonderlich viel, markiert die Wahl 2024 dennoch einen signifikanten Anstieg im Interesse und in der Beteiligung. Denn besonders bemerkenswert ist die erstmalige Teilnahme von 16- und 17-Jährigen.
In diesem Jahr wurde das Wahlalter in mehreren EU-Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, Österreich, Belgien und Malta, auf 16 Jahre gesenkt. Dies eröffnete jungen Menschen die Möglichkeit, aktiv an der Gestaltung der europäischen Zukunft mitzuwirken. Laut einer Greenpeace-Umfrage wollten zwei Drittel der jungen Wahlberechtigten wählen, doch viele fühlten sich schlecht vorbereitet. Zwar wussten drei Viertel der 16- bis 23-Jährigen, dass am 9. Juni die Europawahl stattfand, allerdings fühlten sich 80 Prozent unzureichend über die Aufgaben des EU-Parlaments informiert.
Ein gutes Beispiel für die effektive Nutzung digitaler Tools zur politischen Bildung, vor allem für die junge Wählerschaft ist der „EU & I“ – ein europäischer Wahlomat, der die Programme der verschiedenen Parteien vergleicht und hilft, die Partei zu finden, die den eigenen politischen Ansichten am nächsten kommt. Für junge Menschen eine vertraute und zugängliche Art der Informationsbeschaffung, zentral dafür bleiben aber die Sozialen Medien. Auch für den Wahlkampf um die zusätzlichen 1,4 Millionen Stimmen.
Parteien kämpfen um junge Wählerschaft
Studien zeigen, dass junge Menschen zunehmend soziale Medien als primäre Informationsquelle nutzen. Plattformen wie TikTok, Instagram und X bieten eine attraktive und niedrigschwellige Möglichkeit, politische Inhalte zu konsumieren und sich über aktuelle Themen zu informieren. Die junge Wählerschaft bietet auf jeden Fall langfristig neues politisches Potential. Werteorientiert und getrieben von Pathos, sind sie vor allem durch aktuelle Themen wie Klimawandel und Krieg stark motiviert.
Die Mobilisierung der neuen jungen Wählerschaft über soziale Medien war ein ausschlaggebender Faktor für den EU-Wahlkampf. Doch nur Parteien, die es schaffen, ihre Botschaften effektiv über diese Kanäle zu verbreiten, haben die Chance Wähler:innen besser zu erreichen und zu aktivieren. Präsenz ohne Sichtbarkeit nützt kaum.
Parteien im EU-Wahlkampf: Nationaler Fokus trotz transnationaler Bühne
Trotz der transnationalen Natur der Europäischen Union und ihrer Institutionen wählten die Bürgerinnen und Bürger keine Europaparteien. Auf dem Wahlzettel standen die gleichen nationalen Parteien wie auch bei den Bundeswahlen. Dies führte dazu, dass der Europawahlkampf stark von nationalen Politiken und Interessen geprägt war.
In unsere Analyse flossen im Zeitraum von Januar - Mai 2024 die primären deutschen Parteien und ihre Spitzenkandidat:innen ein. Eine gute Übersicht zu der Social-Media-Aktivität der europäischen Fraktionen – die ebenfalls Spitzenkandidat:innen haben, die teilweise mit den deutschen Parteien zusammenfallen – stellt Fanpage Karma bereit. Neben den etablierten Parteien nahmen wir auch sogenannte Kleinstparteien wie Volt und Die Partei in die Analyse auf. Diese Parteien sind einerseits durch traditionellen Wahlkampf aufgefallen, andererseits haben sie in den sozialen Medien beachtliche Reichweiten erzielt. Ihr Einfluss und ihre innovative Nutzung digitaler Kanäle machen sie zu interessanten Akteuren im politischen Diskurs.
Social Media: Agora und Schlachtfeld
In der digitalen Ära sind soziale Medien sowohl die Agora als auch das Schlachtfeld der modernen Demokratie. Plattformen wie TikTok, Facebook, Instagram und X werden nicht nur genutzt, um Informationen zu verbreiten, sondern auch, um gezielt Desinformationen zu streuen. Trotz der Anstrengungen seitens der Plattformen, manipulierte Inhalte, die irreführend sein könnten, zu verbieten, bleibt die Wirksamkeit dieser Maßnahmen fraglich.
Ein besonders anschauliches Beispiel sind KI-generierte Videos, deren Echtheit oft schwer zu erkennen ist. Vor den Parlamentswahlen in der Slowakei 2023 sorgten zum Beispiel auch KI-generierte Audios für erheblichen Aufruhr. Eine EU-Task Force untersuchte 2023 über 750 Vorfälle, in denen irreführende Informationen gezielt verbreitet wurden. Die EU-Wahl steht also auch im Fokus ausländischer Akteure.
Inmitten dieses Informationschaos ist es eine Herausforderung, Wählerstimmen zu gewinnen, doch ein Rückzug von diesen Plattformen wäre ein Fehler. Hier sind Resilienz und gute Kommunikationsstrategien gefragt.
Folgende Plattformen schauen wir uns hier an:
- TikTok ist der neue Stern am Himmel der sozialen Medien, besonders beliebt bei jungen Nutzer:innen. Parteien haben dies nun erkannt und sind mit einem eigenen und/oder mit den Spitzenkandidat:innen präsent. Hier geht es um kurze, virale Videos mit hoher emotionaler Ansprache. Kreativität ist Trumpf, denn nur so lassen sich die schnellen Aufmerksamkeitsspannen der Nutzer:innen fesseln und Trends setzen. Die Plattform bietet eine einzigartige Möglichkeit, durch unterhaltsame und oft humorvolle Inhalte politisches Engagement zu fördern und Erstwähler zu mobilisieren.
- X, ehemals Twitter, ist das Zuhause für prägnante und aktuelle Informationen. Daran hat auch die kontroverse Musk-Übernahme wenig geändert. Hier zählt jedes Wort und die Kunst liegt darin, komplexe Themen in 280 Zeichen zu verpacken und in Verbindung mit Threads zu nutzen. Diese Plattform eignet sich hervorragend für politische Debatten und unmittelbare Meinungsäußerungen. Politiker:innen nutzen X, um schnell auf aktuelle Ereignisse zu reagieren und in direkten Austausch mit der Öffentlichkeit zu treten.
- Facebook geht in seiner Bedeutung zwar weiterhin zurück, ermöglicht aber längere Beiträge. Diese Plattform eignet sich besonders für umfangreiche Diskussionen und detaillierte Informationen sowie Veranstaltungseinladungen, was sie nützlich für politische Kampagnen macht, die auf umfassende Inhalte setzen. Das höhere Alter der Zielgruppen sollte hier beachtet werden.
- Instagram spielt seine Stärke durch visuell ansprechende Inhalte aus. Fotos, Videos und Stories dominieren die Nutzererfahrung. Hier geht es darum, Botschaften durch visuelle Reize und kreative Inszenierungen zu vermitteln, oft unterstützt durch Influencer-Marketing.
- YouTube ist eine der führenden Plattformen für Video-Content und bietet Parteien eine mächtige Möglichkeit, detaillierte Botschaften zu vermitteln. Hier können lange und informative Inhalte wie Reden, Debatten und Dokumentationen veröffentlicht werden. Youtube ist nicht nur bei jungen Menschen beliebt, sondern erreicht auch eine breite demografische Spanne.
Video schlägt Text
Die Follower-Zahlen der Parteien offenbaren einen Trend: Visuelle und videobasierte Netzwerke wie Instagram, YouTube und TikTok gewinnen an Relevanz, während vorrangig textbasierte Plattformen wie Facebook und X an Bedeutung verlieren. Besonders auf Facebook ist ein deutlicher Rückgang zu beobachten. Fast alle Parteien, außer der AfD, verzeichnen hier Verluste, was auf die schwindende Relevanz dieser Plattform hinweist. Auch auf X sind bei einigen Parteien Abwanderungen zu beobachten. Im Gegensatz dazu bleibt die Zahl der Follower der Spitzenkandidat:innen auf Facebook und X relativ stabil, ohne große Zuwächse oder Verluste.
Auf Instagram punkten vor allem die relativ jungen Parteien Volt und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Beide Parteien gewinnen ordentlich an Boden mit jeweils über 15.000 neuen Follower. Auch auf YouTube liefert das BSW weiterhin kräftig ab, knapp hinter der AfD mit 10.560 neuen Abonnent:innen. Auf TikTok hat die Partei sogar den größten Zuwachs mit 29.290 neuen Follower. Dahinter folgen die AfD mit 26.740 und die Grünen mit 10.839 neuen Follower. Während das beeindruckende Wachstum der BSW-Followerzahlen teilweise darauf zurückzuführen ist, dass die Partei erst kürzlich gegründet wurde, spricht es im Falle von Volt für einen erfolgreichen Wahlkampf und eine gezielte Social-Media-Strategie.
Wie bereits angedeutet - die AfD generiert auf allen Plattformen viel Aufmerksamkeit - große Fortschritte macht die Partei sowohl auf Instagram (+33.353), TikTok (+26.740), YouTube (+24.000) als auch auf X (+24.285). Die rechtspopulistische Partei erkannte früh, wie wichtig digitale Kommunikationskanäle sind, und konnte dadurch einen Vorsprung bei Followern und Interaktionen aufbauen, was bis heute zu ihrer hohen Reichweite beiträgt. Diesen Trend haben wir auch bereits in früheren Analysen der Social-Media-Landschaft aufgezeigt. Auch auf TikTok war die AfD eine der ersten aktiven Parteien. Andere Parteien haben mittlerweile nachgezogen und versuchen, ihre Reichweite auf TikTok zu erhöhen - so auch Die Partei (+29.290), die Grünen (+10.839), die SPD (+7.572) und die CDU (+6.079).
Strack-Zimmermann und Sonneborn punkten auf TikTok
Während die Bundestagsfraktionen von SPD und FDP fleißig auf TikTok aktiv sind, verzichten sie auf einen parteiübergreifenden TikTok-Account und setzten auf die persönliche Ansprache durch ihre Spitzenkandidatinnen Katarina Barley bzw. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ). Der beeindruckende unangefochtene Followerzuwachs von Strack-Zimmermann von über 23.000 ist teils auf ihren Neueinstieg auf der Plattform zurückzuführen, doch im Vergleich zu Barley (+7.152) wird deutlich, dass hier auch eine gute Strategie gewählt wurde.
Der YouTube-König ist eindeutig Martin Sonneborn (Die Partei). Außer Strack-Zimmermann und Maximilian Krah führen die restlichen Kandidaten nicht einmal einen Account auf der Video-Plattform. Sonneborn zählt fast 290.000 Abonnent:innen und gewann während der Wahlkampfperiode beeindruckende 19.000 hinzu. Doch das Wahlergebnis zeigt: Doch das Wahlergebnis zeigt: Eine aktive und umfangreiche Social-Media-Gefolgschaft führt nicht automatisch zu beeindruckenden Wahlerfolgen.
Von der Leyen mit den meisten Followern
Von der Leyens überlegene Führung in der Followeranzahl verwundert nicht unbedingt, da sie als Präsidentin der EU-Kommission eine zentrale Persönlichkeit für die EU. Sie ist diejenige, die man sprechen will, wenn man mit Europa telefonieren möchte.
Den größten Zuwachs in der gesamten Analyse verzeichnet der neue X-Account der Spitzenkandidatin der Linken, Carola Rackete (+75.047 Follower). Diese beeindruckenden Followergewinne sind wahrscheinlich auf ihren Einstieg in die politische Szene zurückzuführen - wer neu beginnt, kann viel gewinnen. Zudem ist Rackete eine polarisierende Persönlichkeit und es ist nicht überraschend, dass sie auf der von Medienvertretern stark genutzten Plattform X besonders erfolgreich ist. Auf das Wahlergebnis der Linken wirkte sich das jedoch nicht positiv aus.
Die Aktivität der Parteien variiert stark je nach Plattform und Partei. Der Mai 2024 weist insgesamt eine sehr hohe Aktivität auf. Besonders auffällig sind hierbei das BSW mit ihren jungen Accounts und die AfD, die in diesem Zeitraum besonders häufig gepostet haben und damit auch die Wahlkampfhochphase markieren. Andere Spitzen gehen oft auf den jeweiligen Parteitag zurück, sowie bei der CDU im Mai.
Verglichen mit anderen Parteien waren die Grünen eher social-media-müde und setzten erst ab Mitte April verstärkt auf TikTok mit etwa 13 Posts pro Woche. Nur Die Partei war mit zeitweise 20 Posts pro Woche noch aktiver. Diese Fokussierung auf die junge Wählerschaft kam bei den Grünen jedoch zu spät und war nicht ausreichend. Die Stimmenverluste folgten schnell und die Jugend stimmte vermehrt für andere Parteien.
Unter den Kandidat:innen fielen Katarina Barley (SPD) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) auf, die regelmäßig auf TikTok posteten. Strack-Zimmermann war auch auf X sehr aktiv. Maximilian Krah, nach seiner Einschränkung auf TikTok, verlagerte seine Aktivitäten auf YouTube und war dort mit bis zu sechs Posts pro Woche fast allein als Spitzenkandidat aktiv.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die FDP auf X, die CDU auf Facebook und Instagram sowie die SPD auf YouTube am aktivsten sind. Bei X spielt zudem eine hohe Anzahl an Retweets - geteilte Beiträge anderer Profile - und Kommentare in die Aktivität mit ein. Diese Unterschiede in der Plattformnutzung spiegeln die strategischen Prioritäten und Zielgruppen der Parteien wider.
Doch reagierte die Nutzerschaft auf diese Aktivitäten? Die Anzahl der Interaktionen gibt Aufschluss darüber.
Interaktionen als Währung in den Sozialen Medien
In der digitalen Kommunikation ist die Interaktion auf Social Media ein zentraler Indikator für den Erfolg von Beiträgen und Kampagnen. Interaktionen wie Likes, Shares und Kommentare spiegeln das Engagement und die Resonanz der Zielgruppe wider. Sie bieten nicht nur Einblicke in die Popularität der Inhalte, sondern auch in die Effektivität der Kommunikationsstrategien der Parteien. Was fällt auf?
TikTok und YouTube sind die Plattformen mit den höchsten durchschnittlichen Interaktionsraten, insbesondere für Die Partei und FDP.
Die AfD zeigt durchweg hohe Interaktionsraten auf allen Plattformen, besonders auf Facebook, Instagram und YouTube. Diese starken Engagement-Zahlen unterstreichen ihre effektive Nutzung der sozialen Medien, um ihre Anhänger zu mobilisieren und eine hohe Sichtbarkeit zu erzielen. Ihre intensive Postingfrequenz wird also belohnt.
Die Partei hat eine extrem hohe Interaktionsrate auf TikTok, was auf den Erfolg ihrer satirischen Inhalte hindeuten könnte. Martin Sonneborn sticht dabei besonders hervor, mit den höchsten Interaktionen pro Post auf TikTok und YouTube. Er erreicht beeindruckende 10.489 Interaktionen pro Post auf TikTok, was seine Popularität verdeutlicht. Auch hier zeigt sich, dass die Aktivität belohnt wird.
Die SPD verzeichnet auf X die höchste Interaktionsrate. Katarina Barley (SPD) zeigt auf TikTok ebenfalls hohe Interaktionen mit 833 pro Post, was ihre starke Präsenz auf dieser Plattform widerspiegelt. Die regelmäßige Aktivität der SPD auf diesen Plattformen wird ebenfalls durch hohe Interaktionen bestätigt. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Katarina Barley (SPD) folgen Martin Sonneborn auf TikTok mit 7.433 bzw. 833 Interaktionen pro Post. Ihre hohe Engagement-Rate auf TikTok zeigt, dass sie in der Lage sind, junge Wähler zu erreichen.
Auf Facebook zeigt Martin Sonneborn die höchsten Interaktionen pro Post mit 679. Ihm folgen Maximilian Krah (AfD) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) mit 437,36 bzw. 422 Interaktionen pro Post.
Themenschwerpunkte im EU-Wahlkampf: National vs. Europäisch
Der Wahlkampf zur Europawahl wird stark von nationalen Themen geprägt. In unserer Analyse ließen wir die Posts durch ein Modell laufen, um die Themenschwerpunkte zu analysieren. Dabei konzentrierten wir uns auf die in der Grafik dargestellten Themen. Die Prozentsätze der Themen auf jeder Plattform sind sichtbar, und die Größe der Blöcke zeigt, wie viel Anteil jede Partei daran hat.
Einige Ergebnisse waren erwartbar: Ein thematischer Schwerpunkt bei den Linken liegt auf sozialer Gerechtigkeit, während die Grünen sich stark auf Klima und Umwelt konzentrieren. Auffällig ist jedoch, dass der Anteil der Beiträge zum Thema Klima trotz der gesellschaftlichen Bedeutung relativ klein ist. Bildung und Forschung werden stark vernachlässigt. Der Fokus bei den meisten Parteien liegt im Untersuchungszeitraum auf Verteidigung und Außenpolitik.
Die beherrschenden Themen der letzten fünf Monate stammen vor allem aus den Bereichen Justiz, Rechte und Politisches System (insbesondere AfD und die Bedrohung durch Rechts). Dieser Fokusbereich deckt aber auch weitere Themen ab. Zusätzlich gewann die Rentendebatte an Bedeutung, vor allem bei der Linken, die auf allen Plattformen damit stark vertreten ist. Die FDP hingegen fokussiert sich hauptsächlich auf Wirtschaftsthemen und Verteidigung.
MASZ: Nahbar und authentisch auf Social Media
Marie-Agnes Strack-Zimmermann nutzt TikTok, um sich als aktiver Teil der Community zu präsentieren und schafft so einen persönlichen Zugang. Trotz humorvoller Inhalte, die in der politischen Arena oft auf Ablehnung stoßen, erntet sie in den Kommentaren sogar von Kritikern ein Schmunzeln: "Ich mag die Dame jetzt nicht unbedingt, aber ihre TikToks sind einfach anders lustig." Ihre Beiträge, wie das Kartoffelranking und Witze über die vorübergehende Einschränkung des TikTok-Accounts von Max Krah, machen sie zur erfolgreichsten politischen TikTokerin in Deutschland.
Auffällig sind auch die Top-Posts bei Volt und Die Partei sowie deren Spitzenkandidat:innen, die fast ausschließlich europäische Themen behandeln.
Die AfD verfolgt einen anderen Ansatz: Sie setzt auf gezielte Provokation, um ihre Reichweite zu erhöhen. Polarisierende Posts erreichen eine hohe Verbreitung durch Shares und virale Effekte. Im Gegensatz dazu versuchen andere Parteien, ihre Reichweite durch visuelle und interaktive Inhalte wie Livestreams und Q&A-Sessions zu steigern oder eine breitere Nutzerschaft mit englischen Posts zu erreichen, wie Grünen-Spitzenkandiatin Terry Reintke auf X.
Doch unabhängig von der gewählten Strategie zeigt sich immer wieder: Eine frühzeitige und konsequente Nutzung der Plattformen verschafft einen nachhaltigen Vorteil in der digitalen politischen Kommunikation. Etablierte Parteien haben lange gebraucht, um auf Plattformen wie TikTok aktiv zu werden, was der AfD einen Vorteil verschaffte. Die CDU startete zum Beispiel erst im Dezember 2023 auf TikTok, als die AfD bereits Millionen von Views hatte.
Fazit: Social Media im Wahlkampf
Die Beliebtheit von visuellen und videoorientierten Plattformen wie Instagram und TikTok wächst stetig, während traditionelle textbasierte Plattformen wie Facebook und X an Einfluss verlieren.
Auch aus den letzten Wahlkämpfen ist erkennbar, dass etablierte Parteien im Vergleich zu Neulingen, wie AfD, Volt oder BSW, oft Boden auf Social Media verlieren. Die AfD sprang früh auf und verzeichnet als einzige Partei auf allen analysierten Plattformen deutliche Zuwächse bei Follower:innen und Interaktionen. Doch auch Parteien wie Volt haben diesen Raum effektiv genutzt, um direkt und unverblümt Botschaften zu vermitteln, die besonders bei jungen Menschen Resonanz finden.
Plakative Botschaften - kurz, lustig - so scheint das Erfolgsversprechen im Wahlkampf. Von Wohlstand und Freiheit zu sprechen, ist der Onlinecommunity unkonkret und nicht fassbar. Inhaltlich konzentrierten sich die Diskussionen der Parteien vorrangig auf Verteidigung und Außenpolitik. Interessanterweise bleibt der Anteil der Beiträge zum Thema Klima trotz seiner Bedeutung vergleichsweise gering. Bildung & Forschung werden dabei von allen Parteien sehr selten thematisiert. In den letzten fünf Monaten standen Justiz, Recht und das politische System im Mittelpunkt, insbesondere im Kontext der AfD und der Bedrohung durch rechtsextreme Strömungen.
Die Aktivitäten der Parteien auf verschiedenen Plattformen reflektieren ihre individuellen strategischen Schwerpunkte. Während die FDP besonders aktiv auf Instagram und Facebook ist, konzentrieren sich die CDU und die SPD vor allem auf Facebook bzw. YouTube. Diese Strategien brachten jedoch unterschiedlichen Erfolg: Während die CDU und SPD nur wenig Erfolg verzeichnen konnten, erzielte FDP-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit ihrer kreativen TikTok-Kampagnen bemerkenswerte Ergebnisse. Trotz geringer Stimmverluste schnitt die FDP damit im Vergleich zu SPD und Grünen relativ gut ab. Die Stimmzugewinne bei der AfD, BSW und Volt verdeutlichen einmal mehr, wie entscheidend ein früher und strategischer Start in den sozialen Medien ist. Pointierte Botschaften und die Fähigkeit der Kandidat:innen, sich die Sprache der jeweiligen Community anzueignen, sind Schlüsselfaktoren für den Erfolg.
Die politische Kommunikation steht auf jeden Fall vor aufregenden Zeiten, in denen medientechnische Innovationen und KI das Potenzial zur Wähleransprache enorm erweitern. Neugierig und gespannt richten wir unseren Blick in die Zukunft!
Erfolgreich auf Social Media: Tipps für politische Kampagnen
Jede Plattform hat ihre eigenen Besonderheiten und Nutzergewohnheiten, die Stil und Präsentation der Inhalte diktieren. Politische Akteure müssen daher ihre Strategien anpassen und die Sprache der jeweiligen Nutzerschaft sprechen. Authenitizität und zielgruppengerechte Kommunikation:
- Kurze, emotionale Videos auf TikTok, oft im Rahmen aktueller Trends.
- Prägnante Tweets und schnelle Reaktionen auf aktuelle Ereignisse auf X.
- Visuell ansprechende Bilder und Einblicke in die Lebenswelt auf Instagram Stories.
Supporter-Accounts wie Influencer und Unterstützerprofile können die Reichweite und Glaubwürdigkeit politischer Botschaften erheblich steigern. Besonders auf TikTok erhöht dies die Möglichkeit zur Viralität.
Die Analyse zeigte aber auch: Inhalte lassen sich plattformspezifisch recyceln, indem sie für jede Plattform angepasst und kreativ bearbeitet werden. Ein virales TikTok-Video kann als Instagram Reel und Facebook-Post erneut genutzt werden, um verschiedene Zielgruppen effizient zu erreichen.
Die Interaktivität auf Social Media ermöglicht Parteien, direktes Feedback von den Wähler:innen zu erhalten und ihre Strategien in Echtzeit anzupassen. Diese Rückkopplungsschleife steigert die Effektivität von Kampagnen und erreicht die Zielgruppen besser.