OMR-Festival 2024: Die wichtigsten digitalen Trends

Hand tippt auf das Hologramm "2024".

Das OMR Festival 2024 war ein Schaufenster in die Zukunft der Künstlichen Intelligenz (KI) und beleuchtete die demokratischen Risiken, die mit Social Media einhergehen. Etwa 70.000 Expert:innen sowie Influencer:innen und Branchen-Stars im Bereich digitales Marketing und Technologie kamen am 7. und 8. Mai in der Hamburger Messe zusammen um über aktuelle Trends zu diskutieren. Scott Galloway, Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University, machte den Auftakt und beleuchtete die Auswirkungen von KI in verschiedenen Sektoren. Dabei widerlegte er den Mythos, dass KI Arbeitsplätze übernehmen wird.

"No machine is going to show up in the short term and take your job, but some younger person, who really understands this, is going to show up and quite frankly add more value for less money"
— Scott Galloway

Es sei unwahrscheinlich, dass Maschinen kurzfristig Arbeitsplätze übernehmen werden. Stattdessen werden Personen, die die Möglichkeiten von KI verstehen, Arbeitsplätze einnehmen und die Produktivität mittels KI erhöhen. KI ist eine Zeitersparnis. Galloway betonte, dass Daten nicht das Öl unserer Zeit sind, da wir buchstäblich in ihnen schwimmen. Daten sind keine knappe Ressource. Vielmehr liegt die wahre Ressource der Zukunft darin, Daten richtig zu analysieren und effektiv damit umzugehen. Wie lässt sich das in der Praxis umsetzen?  Roland Eisenbrand, Chefredakteur von OMR, zeigt anhand eines Beispiels auf, wie ein Unternehmen mithilfe von KI die Produktbewertungen seiner Kundschaft analysierte, um deren Präferenzen zu ermitteln. Auf Basis dieser Erkenntnisse konnten Werbekampagnen entwickelt werden, die genau auf die Bedürfnisse der Kund:innen zugeschnitten waren. Sicher, das Ganze könnte auch manuell und ohne KI durchgeführt werden. Doch hier liegt der springende Punkt: KI ermöglicht eine Automatisierung, die Zeit und Ressourcen spart und die Effizienz steigert. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass User:innen zunehmend KI nutzen, um sich zu informieren und im Internet zu recherchieren. Wenn ich also meine Reichweite erhöhen möchte, muss ich auch darüber nachdenken, aus welchen Datenquellen Chat- und Suchbots ihre Antworten beziehen. Ein Beispiel hierfür sind Reddit-Foren! Wenn ich als Marke oder Politiker:in dort präsent bin, kann ich meine Sichtbarkeit in KI-gestützten Umgebungen erhöhen.

Auch Kim Kardashian zeigte sich auf dem OMR nicht eingeschüchtert durch AI. Sie betonte in ihrer Rede: 

"I don't think an AI person could come here and do this interview and we would be satisfied with that"
— Kim Kardashian
Kim Kardashian.

Marketingtrends

Mit KI wird emotional ansprechender Content noch wichtiger als bisher. KI-Technologie ermöglicht es Marken, physische und digitale Erlebnisse hyper-personalisiert zu gestalten. Gleichzeitig gehen allerdings oft auch Kreativität und Originalität verloren. Mittelmäßigkeit dominiere im Bereich KI und Marketing, laut OMR-Chefredakteur Roland Eisenbrand. Zukünftig gilt deshalb: Qualität vor Quantität. KPIs wie Reaktionen und Likes sind viel wichtiger als reine Impressionen. Es ist entscheidend, sich vom Drang zu lösen, einem Zahlen-Spiel zu folgen, und stattdessen Wert zu schaffen sowie eine emotionale Verbindung zum Publikum aufzubauen. Das Stichwort hier ist Storytelling. Authentische, originelle Inhalte sind in der Welt des Online-Content gefragt wie nie zuvor. Aber was ist eigentlich ein "Signature Move"? Nun, das ist ganz individuell. Es kann alles sein, solange es genug Eindruck hinterlässt, um als Markenzeichen zu gelten. Eine einfache Geste kann ausreichen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und im Gedächtnis zu bleiben. 

Des Weiteren prognostizierte Galloway, dass TikTok künftig eine beherrschende Stellung im Unterhaltungsbereich einnehmen und damit etablierte Anbieter wie Netflix und Spotify herausfordern wird. Diese Entwicklung könnte die Entscheidungsfreiheit der Nutzer:innen stark einschränken, da Algorithmen und KI auf der Plattform vollständig darüber bestimmen, welche Inhalte angezeigt werden. Somit wird die individuelle Auswahlmöglichkeit der Konsument:innen obsolet. 

"TikTok and AI will remove choice, you are told what to watch"
— Scott Galloway
Hand mit Handy auf dem TikTok geladen wird.

Besonders betonte Galloway den Einfluss von TikTok auf die Weltanschauung junger Menschen und warnte vor den potenziellen negativen Auswirkungen. 

Europäisches Kapital für AI 

Das Thema Kapital wurde ebenfalls in Bezug auf AI diskutiert: Eine aktuelle Analyse der Investitionstrends zeigt eine deutliche Diskrepanz im Bereich der künstlichen Intelligenz (AI): US-amerikanische Startups erhalten etwa fünfmal mehr Funding als ihre europäischen Pendants. Dies liegt zum einen daran, dass US-amerikanische Unternehmen wie Google, Facebook und Amazon einen erheblichen Vorsprung in der Entwicklung und Anwendung von AI-Technologien haben. Dadurch sind sie attraktive Investitionsziele für Venture-Capital-Fonds und andere Investoren, die in diesem boomenden Sektor aktiv sind. Dieser Befund verdeutlicht die Herausforderungen, denen sich Europa stellen muss, um im globalen Rennen um AI-Innovationen wettbewerbsfähig zu bleiben.

Auch FDP-Chef Christian Lindner sprach dieses Problem auf dem OMR-Festival an. Trotz fortgeschrittener KI-Grundlagenforschung in Deutschland und der Tatsache, dass unsere mittelständischen Unternehmen in Sachen Automatisierung gut im Rennen sind, schlug Lindner Alarm: Deutschland könnte den KI-Anschluss verpassen, wenn nicht genügend Kapital für Start-ups bereitgestellt wird. Er plädierte dafür, die Förderung von KI-Start-ups zu intensivieren und ein Umfeld zu schaffen, das Innovationen begünstigt und Investitionen in KI-Technologien erleichtert.

 

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In ähnlichem Tenor äußerte sich der Journalist und Autor Sascha Lobo, der die europäische KI-Regulierung aus unternehmerischer Perspektive kritisch betrachtet. Er brachte es auf den Punkt: 

"Wir sehen, und das ist leider tatsächlich die Wahrheit, dass in den Vereinigten Staaten die beste KI der Welt hergestellt wird, in China die effizienteste KI der Welt entsteht, und in Europa wollen wir die am stärksten regulierte KI der Welt haben"
— Sascha Lobo

Biggest Winner 2024

Ein interessanter Aspekt, den Galloway beim OMR Festival hervorhob, war, dass für ihn im Jahr 2024 nicht die Künstliche Intelligenz (AI) den Höhepunkt darstellte, sondern eine neue Technologie im Gesundheitswesen. Er richtete den Fokus auf GLP-1-Medikamente, diese Medikamente sind blutzuckersenkende Arzneistoffe, die traditionell zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt wurden, jedoch nun auch als Abnehmmedikamente genutzt werden. 

Mensch mit Ozempic-Spritze in der Hand.

Warum sind diese Medikament so relevant? Die Antwort liegt in der alarmierenden Fettleibigkeitsrate: Fettleibigkeit kostet Menschenleben, sogar weltweit doppelt so viele wie Verkehrsunfälle. In den USA sind besorgniserregende 44% der Bevölkerung fettleibig. Die Einführung dieses neuen Medikaments zielt darauf ab, Übergewicht zu reduzieren, was nicht nur die Lebenserwartung erhöht, sondern auch zu einer gesteigerten Produktivität führt – eine Produktivitätssteigerung, die höher sein soll als jene durch AI.

Biggest Loser 2024

Der größte Fehlschuss des letzten Jahres ist laut Galloway das "Apple Headset" oder Virtual-Reality-Brillen im Allgemeinen. Galloway bemängelte, dass dieses Headset seit seiner Einführung als eine der sinnlosesten Entwicklungen betrachtet wird, vergleichbar mit dem Hype um 3D-Druck in seinen frühen Tagen. Der Grund dafür ist offensichtlich: Die Nutzer:innen berichteten bereits von Anfang an von Unbehagen und sogar Übelkeit nach nur 40 Minuten Nutzungsdauer.

Mann mit Virtual-Reality-Brille.

Radikalisierung online

Ein weiterer Verlierer beschreibt ein ernstes Problem unserer digitalen Medienwelt: Vertrauen. Falschinformationen und manipulierte Inhalte haben schon immer existiert, aber vor Social-Media und Künstlicher Intelligenz waren sie relativ leicht zu durchschauen. Ehemaliger Linken-Politiker Gregor Gysi und früherer Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nahmen sich dieses Themas an und betonten die Bedeutung von Social Media für die Stärkung der Demokratie. Sie waren sich einig, dass soziale Medien eine grundlegende Erweiterung der demokratischen Beteiligung ermöglichen, jedoch auch potenzielle Risiken wie Fake News und Filterblasen mit sich bringen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, forderten sie Maßnahmen zur Förderung von Medienkompetenz und zur Regulierung von Desinformation. Besonderes Augenmerk legten sie dabei auf die Notwendigkeit unabhängiger Institutionen, die Nutzer:innen helfen können, Falschinformationen zu identifizieren, sowie auf die Offenlegung von Algorithmen durch Plattformbetreiber.

Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck warnte auf dem OMR-Festival vor den Tendenzen von Populismus und Radikalisierung, die den Kern des Gemeinwesens bedrohen. Er betonte die Notwendigkeit eines positiven Narrativs und forderte mehr Geschichten über Erfolg statt über Scheitern. Seiner Meinung nach sei ein Diskurs, der sich ausschließlich auf das Scheitern konzentriert, zum Scheitern verurteilt.

"Wenn der Diskurs nur aufs Scheitern ausgelegt ist, werden wir scheitern. Das ist wie beim Fußball: Ich brauche nicht antreten, wenn ich mir immer wieder einrede, wie stark doch der Gegner ist"
— Robert Habeck